Wie bereits aus den Vorteilen des Besuchs eines außerschulischen Lernortes hervorgeht, bieten außerschulische Lernorte großes Potenzial zur vielperspektivischen Betrachtung. Doch was meint Vielperspektivität?

„Der Begriff der Vielperspektivität ist so zentral mit der Didaktik des Sachunterrichts verbun-den wie wohl kaum ein anderer“ (Giest, Hartinger & Tänzer, 2017, S. 9, Herv. im Original). Der vielperspektivische Ansatz wurde maßgeblich von den beiden Sachunterrichtsdidaktikern Walter Köhnlein und Joachim Kahlert geprägt. Köhnlein bezeichnet ihn als „ein basales Prinzip der Vielfalt aufeinander bezogener Inhalte, Betrachtungsweisen, Wissensformen und Metho-den“ (Köhnlein, 2013, S. 1, zit. nach Albers, 2017, S. 12). Hierauf basierend haben sich in den letzten Jahren fünf Perspektiven im Sachunterricht der Primarstufe (naturwissenschaftliche, sozialwissenschaftliche, historische, technische und geographische Perspektive) etabliert. Trevisan (2018, S. 24) verdeutlicht die Idee der Vielperspektivität wie folgt am Beispiel des Themas „Apfel“:

"Jede fachliche Perspektive […] bezieht sich […] auf unterschiedliche Wissensdomänen und begegnet der Sache deshalb mit je eigenem Erkenntnisinteresse und mit je eigenem Erkenntnispotenzial. Je nachdem, welche fachliche ‚Brille‘ wir aufsetzen, haben wir einen ganz anderen Apfel vor uns. Die einzelnen fachlichen Perspektiven haben aber für sich alleine betrachtet auch ihre Erkenntnisgrenzen und können dadurch nur einen eingeschränkten Ausschnitt der Welt erklären. Erst im Zusammenspiel mit anderen fachlichen Perspektiven können viele Gegenstände, Probleme und Fragen unserer Welt in ihrem Reichtum und in ihren Widersprüchen erfasst und verstanden werden. Deshalb muss oft auch ‚quer‘ zu den fachlichen Perspektiven gedacht werden, damit Zusammenhänge sichtbar werden. Also nicht nur ein bisschen ‚historischer Apfel‘, dann ein bisschen ‚geographischer‘ und zuletzt ein bisschen ‚biologischer Apfel‘. NMG versteht sich in Kindergarten und Primarschule vielmehr als ein Integrations-fach, das diese fachliche Vielfalt als Chance sieht, bei Kindern ein vernetztes Verstehen ihrer Um- und Mitwelt anzubahnen und zu fördern. Das könnte zum Beispiel gelingen, wenn man im Unterricht von der Frage ausgeht, was eigentlich aus der Sicht unterschiedlicher fachlicher Perspektiven und Akteure einen ‚guten‘ Apfel ausmacht."

Weil Vielperspektivität Zusammenhänge deutlich macht und erlaubt, „das Wissen auf die Lebenswirklichkeit der Kinder zurückzuführen” (GDSU, 2013, S. 15), wird sie auch in curricularen Dokumenten wie dem Perspektivrahmen der GDSU sowie u. a. dem saarländischen Kernlehrplan berücksichtigt.

Quellen:

Albers, S. (2017). Bildung und Vielperspektivität im Sachunterricht – ein "inniges" Verhältnis. GDSU-Journal, Heft 6. S. 11-20.

Gesellschaft für Didaktik des Sachunterricht (GDSU) (2013). Perspektivrahmen Sachunterricht. Bad Heilbrunn Klinkhardt.

Giest, H., Hartinger, A. & Tänzer, S. (2017). Editorial. In: H. Giest, H. Hartinger & S. Tänzer (Hrsg.). Vielperspektivität im Sachunterricht. Bad Heilbrunn: Klinkhardt. S. 9-12. 

Ministerium für Bildung – Saarland (2010). Kernlehrplan Sachunterricht Grundschule. Online verfügbar unter: https://www.saarland.de/SharedDocs/Downloads/DE/mbk/Lehrplaene/Lehrplaene_Grundschule/GS_Kernlehrplan_Sachunterricht.pdf?__blob=publicationFile&v=1 (Stand: 17.06.2022)

Trevisan, P. (2018). Natur, Mensch, Gesellschaft – Ein vielperspektivisches und integratives Fach. In: P. Trevisan & D. Helbling (Hrsg.). Nachdenken und vernetzen. In: Natur, Mensch, Gesellschaft. Studienbuch für den kompetenzorientierten Unterricht im 1. und 2. Zyklus. Bern: hep Verlag. S. 23-58.